Beratung im Paradigmenwechsel

Foto UBIT Vortrag "Paradigmenwechsel in der Unternehmensberatung" Barbara Niederschick, Günter Schwarz, Anita Stadtherr

Heute im Interview Impulsgeberin Barbara. Sie wurde von Anita Stadtherr zum Thema Beratung im Paradigmenwechsel – creative and open minded consultancy interviewt.

Anita: Du bist Impulsgeberin bei Niederschick, Wolfram & Partner, Unternehmensberaterin & Coach. Dein Thema heute ist „Beratung im Paradigmenwechsel – creative and open minded consultancy“. Bevor wir tiefer in die Materie eintauchen, was machst du mit deiner Firma genau?

Barbara: Während meines WU-Studiums begann ich in einem internationalen Konzern im Sales Marketing zu arbeiten. Mittlerweile bin ich seit 17 Jahren als Beraterin selbständig tätig. Mit Niederschick, Wolfram & Partner haben wir ein modernes Beratungsunternehmen und eine Kommunikationsagentur vereint. Wir sehen uns als kreative Berater- und Gestaltergruppe die ihre Kunden beim Durch.Denken, Entwickeln und Gestalten ihrer Ideen und Projekte unterstützt. Unser interdisziplinäres Team und Partnernetzwerk setzt sich aus Beratern, Designern, Autoren und Künstlern zusammen, die selbstverständlich alle ihr Handwerk verstehen. Alles nur nicht herkömmlich ist unsere Devise – wir versuchen einen Rundumblick mit unterschiedlichen Augenpaaren zu erhalten.

Wie bist Du auf das Thema gekommen?

Es sind Erfahrungen und Beobachtungen und schließlich unsere Entwicklung bei Niederschick, Wolfram & Partner die mich dazu gebracht haben, dieses Thema aufzugreifen. Ich sollte eigentlich etwas über kreatives Arbeiten erzählen, aber das schien mir zu eingeschränkt. Es gibt etwas, dass uns dazu führt kreativ zu arbeiten. Darüber möchte ich heute erzählen und reden. Wir werden oft gefragt, wie wir arbeiten, was uns antreibt, daher ein paar Gedanken dazu.

Vor rund 10 Jahren hat es bei uns begonnen. Wir haben brav vor uns hin gearbeitet, mussten jedoch oft schmerzlich erfahren, dass es „unrund“ läuft. Lange Arbeitszeiten, extrem fordernde Kunden, Stagnation wirtschaftlich und auch thematisch, bis hin zu gesundheitlichen Problemen. Irgendwann war es zu viel. Wachgerüttelt haben wir uns Gedanken darüber gemacht, warum das so ist. Wir haben erkannt, dass wir dieselben Wege wie früher, aber in einer sich ständig wandelnden Zeit eingeschlagen haben und dass uns das massiv behindert. Wir haben uns von Innen nach Außen gewandt und den Wandel erkannt.

Welchen Wandel?

Wir befanden uns in einem starren System, in der alten Wirtschaftsordnung bzw. Marktökonomie. Rund um uns ist eine neue soziale und wirtschaftliche Landschaft entstanden. Dies hat die Arbeitsweisen und Haltungen von Personen und auch Unternehmen massiv beeinflusst. Die alte Landschaft: Machterhalt und Profit um jeden Preis, streng hierarchisch organisiert, Konkurrenz, Ordnung und Kontrolle, starre Prozesse und Standardisierung. Persönliches Eigentum und Nutzenmaximierung stehen im Vordergrund. Beschränkungen sowie Barrieren und Kontrollen dienen als Machtinstrument. An vorderster Stelle stehen Marktmacht sowie materielle Werte und das muss mittels Kommunikation und Verkauf um jeden Preis durchgesetzt werden. Rollenbilder werden oftmals von außen bestimmt und sind eher statisch und nicht mit dem Menschen dahinter verbunden. Es wird in isolierten Einheiten gedacht. Wettkampf prägte unser Geschäftsleben. Wir waren gefangen, unausgeglichen und unglücklich.

Ich denke in dieser Zeit ging es vielen anderen ebenso und durch die neuen technischen Möglichkeiten (Stichwort Digitalisierung) und die sozialen Bestrebungen (Suche nach Gemeinschaft – Partizipation) und ökonomischen Notwendigkeiten sowie dem Streben nach Ressourcenschonung, entstand ein neues Umfeld (sozial und wirtschaftlich):  Die kollaborative Netzwerk-Ökonomie. Begonnen hat es mit dem Informationsaustausch, über die Bildung von sozialen Netzwerken und dem Teilen von digitalen Gütern. Mittlerweile werden auch reale Güter geteilt, produziert und finanziert. Das Gemeinsame drängt sich in den Vordergrund. Konsumieren, erstellen, lernen und finanzieren in der Crowd – so vieles wird möglich.

Was zeichnet diese kollaborative Netzwerk-Ökonomie aus?

Die Vielfalt der Rollen im dynamischen Kontext durch einen aktiven Lebensstil (interessant auch eine Publikation des Zukunftsinstitut: Lebensstile von Morgen). Wir haben es mit dynamischen und agilen Organisationen und Systemen zu tun. Mobilität und Flexibilität stehen im Vordergrund und Experimentieren und Improvisieren wird nicht mehr verteufelt. Experiment – fail – learn – try it again/repeat.

Was hat das mit uns als Berater zu tun?

Wir befinden uns teilweise in einer Zwickmühle. Zum einen müssen wir am Puls der Zeit sein, uns viel neues Wissen aneignen und – so glauben viele – Wunderwuzzis sein. Andererseits sind wir noch in vielen Bereichen an die starren alten Systeme gebunden (z.B. gesetzliche Regeln – Finanzbereich, Gewerbebereich, Bürokratie, politisches System). Da gilt es den Drahtseilakt zu schaffen, dem alten Bewertungssystem genüge zu tun und trotzdem in der veränderten Welt neue, praktikable Wege zu beschreiten. Die Erwartungen der Kunden im Hinblick auf den (medial) getriebenen StartUp- und Innovationswahn zu erfüllen.

Das bedeutet?

Viele der Berater sind als Ein-Personen-Unternehmen (EPU) am Markt tätig oder führen ein Kleinstunternehmen. Berater müssen viele Erwartungen erfüllen: Top in Betriebswirtschaft, als hochkarätiger Kreativtechniker agieren, sich als systemischer Coach und Analytiker bewähren, das Unternehmen oder die Idee des Kunden massiv vorantreiben und das am besten schnellstmöglich. Das geht sich nicht aus. Zumindest nicht für einen allein. Daher ist die einzige Möglichkeit dem Kunden eine zeitgemäße und adäquate Beratung angedeihen zu lassen, sich ebenfalls mit anderen zu vernetzen und zu kollaborieren. Die Zauberwörter hierfür sind: interdisziplinäre Teams bilden, Komplementär-Kompetenzen nutzen, Heterarchie, Wirkungsrelevanz, integratives Denken auf Basis soliden Fachwissens. Die eigene Wertschöpfungskette bzw. den eigenen Beratungsprozess umdenken.

Wir bei Niederschick, Wolfram und Partner haben uns stark vernetzt, nicht nur mit anderen Unternehmern in Österreich, sondern auch mit Unternehmern im Europäischen Raum. Der ständige Austausch und Einzel- bzw. Gruppenreflektionen helfen uns, uns nicht wieder in einem ausgetrampelten Pfad wiederzufinden. Unser Beratungs- und Arbeitsprozess hat sich massiv geändert und enthält noch eine Menge Schleifen und einen breiten Korridor der Möglichkeiten (personell und methodisch) wenn benötigt – Handlungsspielraum für uns und unsere Kunden. Wir haben ein feststehendes Kernsystem mit einer breiten Range an Wirkungsmöglichkeiten.

Welche Qualitäten und Kompetenzen sind nun deiner Meinung nach gefragt?

Neben den Fachkompetenzen werden Fähigkeiten benötigt wie: Teamfähigkeit, Kritikfähigkeit, Kompromissfähigkeit, Empathie und am wichtigsten für uns Berater auch den Lead abgeben können. Zuerst einmal muss die Selbstwahrnehmung geschärft, das Selbstbild genau betrachtet, das Fremdbild miteinbezogen werden und zu sich selbst so richtig ehrlich sein. Des Weiteren, wenn schon die Selbstehrlichkeit voll da ist, nochmals genau hinsehen und den Handlungsspielraum und den Gedankenraum genau überprüfen. Wie viele Schubladen sind vorhanden? Sind diese notwendig um zu verstehen und einzuordnen oder hindert das am wirklich freien Blick und am Bewerten? Muss alles so reduziert werden, dass es binnen zwei Sätzen erfassbar ist? Reduziere ich mich und andere auf USP/ESP oder Elevator Pitch? Muss ich immer gleich sein, dasselbe tagtäglich repräsentieren, damit ich authentisch wirke? Ist das nicht „Schein“? Mir persönlich ist da „Sein“ lieber – mein authentisches Ich in der jeweiligen Situation. Facettenreich dem Kontext entsprechend. Ich stehe für Facettenreichtum statt Schubladen.

Und das führt mich weiter zu dem Thema Erweiterung, nicht nur meines eigenen Wirkungsraumes, sondern auch die Erweiterung des Wirkungsraumes mit anderen Menschen. Wenn ich mich auf Partnerschaften einlasse und mein Team möglichst interdisziplinär aufbaue, höre ich auf im eigenen Saft zu kochen. Viele neue Lösungswege und Sichtweisen stellen sich ein. Automatisch wird Denken und Arbeit kreativer. Der Sinn des Denkens ist es ja aus festen Routinen und Abläufen auszubrechen. Damit muss ich nicht mehr zum Methodensammler, Zertifizierungsjunkie und Titeljäger werden um eine Bestätigung zu erlangen. Oder auf Leistungen von Kollegen schielen, die scheinbar bessere Konzepte haben. Dies führt auch dazu, dass Kontrolle und Lead nicht mehr unbedingt nötig sind.

Wir sind heterarchisch aufgebaut, was aber nicht bedeutet, dass es gar keinen Lead gibt. Je nach Kontext tritt derjenige in den Vordergrund der am besten geeignet ist und dies passiert fließend und automatisch.

Wie fördert Ihr neue Denkweisen?

Wir treffen uns nahezu wöchentlich für einen ganzen Tag. Spinnen und experimentieren herum, arbeiten an unseren Projekten, supervidieren uns, teilen Wissen und entwickeln Methoden weiter. Alles probieren wir dann noch an uns selbst aus. Und so oft wie möglich gibt es Treffen mit unseren anderen Netzwerkpartnern, um die Ressourcen der Gruppe zu nutzen. Regelmäßige Bildungsauszeiten gehören auch dazu. Kreativtechniken werden bei uns nicht nur gesammelt, sondern ständig angewandt – auch im unternehmenseigenen Kontext.

Was bringt Euch das?

Erstmals Ausgleich und Erleichterung, weil wir teilen, Freude am Arbeiten und den Antrieb, erleben es in die Welt zu tragen. Zweitens zufriedene, erfolgreiche Kunden. Wir werden immer als Paket beauftragt, selbst wenn der Kunde nur einen oder zwei von uns beansprucht oder zu Gesicht bekommt. Das Wissen und die Fähigkeiten von zumindest drei Personen stehen zu seiner Verfügung.

Woran erkennen eure Kunden den Unterschied, den Paradigmenwechsel in der Beratung und was bringt Ihnen das?

Ehrlich gesagt, glaube ich, dass manche keinen Unterschied sehen, weil Sie noch nie in einer Beratungssituation waren. Andere wiederum, die konventionelle Beratungen hinter sich haben, erkennen dies, wie wir an die Beratungssituation herangehen und generell kommunizieren. Hinzu kommt, dass mit mehreren Personen ein breiteres Spektrum an Möglichkeiten eröffnet wird und damit der eigene Handlungsspielraum erweitert wird. Jeder Kunde hat den Zugang auf drei Experten, die sich mit seinem Problem auseinandersetzen – jeder mit seiner Sichtweise und seinem Lösungspotenzial. Sie sehen, dass wir andere Techniken zusätzlichen zu den traditionellen Beratungsansätzen verwenden – und dass wir diese Techniken immer vorher auch an uns ausprobiert haben und daher sehr praxisorientiert agieren.

Viele kommen mit hohen oder besser gesagt höchsten Druck an Erwartungen zu uns und damit auch mit dem Gefühl, dass das alles nicht bewältigt werden kann. Dann ist es sehr oft wichtig, eine Relativierung „hochgespielter“ Themen (Stichwort StartUps, Crowd-whatever, Digitalisierung, Industrie 4.0) vorzunehmen und den Druck aus den Projekten und Ideen raus zunehmen. Erst dann ist wirklich kreative Arbeit möglich. Und mit kreativ meine ich nicht zeichnen, malen, formen, sondern den Geist für viele Möglichkeiten öffnen und EIGENE Wege finden. Nur weil etwas „state of the art“ ist, heisst das noch lange nicht, dass es für den Kunden passend oder machbar ist. Die Arbeit ist sehr intensiv und der Output in relativ kurzer Zeit sehr groß. Innere Bilder werden nach Aussen getragen und somit kann eine bessere Erkenntnis stattfinden. Wir bringen den Menschen in der Organisation zum Vorschein und damit sein Potenzial und seine Qualitäten.

Das Interview wurde von Anita Stadtherr geführt: Als Unternehmensberaterin, Trainerin und Coach unterstützt sie Unternehmen und Einzelpersonen in den Bereichen Kommunikation, Teambuilding und Teamführung, sowie Persönlichkeitsentwicklung. Ein besonderer Schwerpunkt ist die Reduktion von emotionalem Stress, um auch in belastenden Situationen auf die persönlichen Ressourcen zugreifen zu können. www.stadtherr.at

Foto v.l.n.r.: Barbara Niederschick, Günter Schwarz, Anita Stadtherr